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1 Jahr

ist es jetzt ungefähr her, seit wir wissen, dass wir auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Ich habe versucht mich daran zu erinnern, an welchem Tag wir genau dies mitgeteilt bekommen haben. Ich konnte mich nicht erinnern. Dabei war das so ein einschneidendes Ereignis. Ich kann mich an alles ganz genau erinnern:

 

Ich war beim Arbeiten und bin danach direkt zum Arzt gelaufen, bei dem mein Mann einen Termin hatte. Wir haben uns davor getroffen. Wir sind rein, haben uns ins Wartezimmer gesetzt und ich dachte mir noch: Das wird wie immer laufen, dass du dich umsonst völlig verrückt gemacht hast und dann ist alles ok. Bis zu diesem Tag war das in meinem Leben so. Jetzt glaube ich das nicht mehr. Mein Mann ist allein ins Besprechungszimmer gegangen. Ihm war es lieber so, als hätte er es geahnt? Als er raus gekommen ist, war er die Ruhe selbst - wie immer. Ich dachte mir: Cool, scheint ja alles ok zu sein. Und dann beim rausgehen sagt er zu mir: Es liegt an mir. Ich dachte für einen Bruchteil einer Sekunde, dass er mich nur aufziehen will. Aber dann habe ich sehr schnell gemerkt, dass das sein Ernst war. Und dann? Ja, dann hat sich mein ganzes Leben verändert - einfach so von jetzt auf gleich.

 

Mein Leben hat sich erst einmal gar nicht merklich verändert. Aber dann habe ich festgestellt, dass ich stehen geblieben bin, während alle anderen weiterlaufen. Sie bekommen Kinder, werden Eltern und irgendwann Großeltern. Ich nicht.

 

Während ich jetzt hier sitze und das hier schreibe, muss ich weinen. Ich bin so unendlich traurig.

 

Manche sagen, dass man das, was man nicht kennt auch nicht vermissen kann. Ich glaube, dass das in diesem speziellen Fall nicht stimmt. Ich vermisse ein/mein Leben mit Kindern.

 

Vielleicht ist es Schicksal, dass wir in dieser Situation sind. Vielleicht wäre etwas bei der Geburt schief gelaufen. Vielleicht wäre mein Kind nicht gesund. Vielleicht wäre ich krank geworden. Vielleicht ist es besser so.

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Kommentare: 3
  • #1

    J. (Samstag, 02 Februar 2019 10:39)

    Liebe Stephanie,
    während ich deine Zeilen, steigen mir die Tränen in die Augen. Auch ich kann mich genau an den Arztbesuch erinnern, der unsere Zukunft für immer auf den Kopf stellen sollte. Wir sind danach schweigend nach Hause gefahren und haben dort zusammen geweint. Und uns dann für die „Mühle Kinderwunschklinik“ entschieden. Das war vor über fünf Jahren. Fünf Jahre, in denen wir uns im Kreis gedreht und nicht Mut aufgebracht haben, eine Ausfahrt zu nehmen. Ich bewundere eure Entscheidung, euch erst gar nicht in diesen Kreisverkehr zu begeben! Ich denke, sie schenkt euch viele wertvolle Jahre. Ich habe nur selten über die Nebenwirkungen der zahlreichen Medikamente nachgedacht. Vielleicht war es naiv. Der Wunsch war einfach größer als die Bedenken.
    „Manche sagen, dass man das, was man nicht kennt auch nicht vermissen kann.“ Ich stimme dir völlig zu, dass das nicht stimmt. Ich trauere um ein Leben, das ich mir so anders gewünscht hätte und um die tausend Momente, die ich nicht erleben darf.
    Und „vielleicht“ ist übrigens ein Wort, das ich seit ein paar Jahren nicht mehr mag, weil es so viel „Macht“ hat (obwohl das mal anders war, rein sprachlich betrachtet).
    Viele Grüße, J.

  • #2

    Nina Feldmann (Mittwoch, 06 Februar 2019 16:51)

    Hallo liebe Stephanie,

    ich verfolge dich schon eine Weile und muss jetzt doch auch mal einen Kommentar schreiben. Es ist so schade, dass ihr keine Kinder bekommen konntet und ich kann das sehr gut nachvollziehen, denn auch bei uns hat es leider nicht geklappt. Ich bin schon 39 und habe auch nach einigen Jahren der Versuche mein Leben ohne Kinder in Angriff genommen.

    Dabei war für mich der Austausch mit anderen Betroffenen (vor allem Frauen) super wichtig. Viele Themen kann man mit den Freunden oder auch mal mit dem Mann nicht so gut besprechen wie mit anderen Frauen, die ebenfalls versuchen ein Kind zu bekommen und es aber nicht klappt.

    Zum Beispiel hab ich mir auch Hilfe geholt in dem Webinar von Romy und Alex, die ganz toll und einfühlsam damit umgegangen sind weil sie beide selbst den selben Weg wie wir gegangen sind. Sie konnten auch keine Kinder bekommen und möchten andere Paare bei ihrem Weg da durch unterstützen.

    Ich hab von den beiden erfahren, dass sie jetzt bald wieder so eine Webinar-Reihe planen und dachte, das ist vielleicht auch für dich interessant?

    Wenn du magst kannst du dir das ja mal anschauen. Wenn das für dich nichts ist dann bitte einfach ignorieren :)

    https://zukunftsglueck.de/unsere-angebote/fuer-alle/

    Ich wünsche dir auf jeden Fall weiterhin alles Gute und hoffe, dass dein Mann und du jetzt nach einem Jahr wieder etwas mehr Halt gefunden habt.

    Ganz liebe Grüße,
    Nina

  • #3

    Léa (Mittwoch, 06 Februar 2019 22:07)

    Liebe Stephanie,

    dein Artikel hat mich sehr berührt, weil es bei uns ähnlich gelaufen ist (nur, dass mein Mann und ich beide im Besprechungsraum saßen). Wir haben etwas gezögert und uns schließlich auch gegen IVF entschieden. Wir wollten unser Leben zurück, auch wenn die Entscheidung bedeutete, dass wir uns mit einer heftigen Trauer auseinandersetzen sollten. Heute bin ich froh, dass wir diese Entscheidung getroffen haben und das geschafft haben, zusammenzuhalten.

    Die Trauer um ungeborene Kinder ist in der Tat etwas, das nicht sichtbar ist. Aber es bedeutet nicht, dass die Trauer nicht existiert. Wir trauern um eine geträumte Zukunft, um das Familienleben, das wir uns gewünscht hatten. Wir trauern, weil wir nie Teil der Gemeinschaft der Eltern sein werden. Lisa Manterfield hat einen schönen Artikel darüber geschrieben: http://lifewithoutbaby.com/2018/07/30/intangible-losses-infertility-grief/

    Den Eindruck, auf der Strecke zu bleiben, während alle vorankommen, habe ich auch lange gehabt. Aber langsam fange ich an, anders zu denken: ich habe mich weiterentwickelt, auch ohne Kinder, und bin nicht mehr dieselbe Person wir vor ein Paar Jahren (und werde es nie wieder sein). Das hätte ich vor ein paar Jahren nie gedacht... ich hoffe, dass es dir Mut machen kann.

    Ich wünsche dir alles Gute und schicke dir ganz liebe Grüße,
    Léa